Ein erhebender Augenblick. Langsam und gleichzeitig schnell steigt die Sonne am Horizont auf. Immer mehr einer glühenden Scheibe ähnelnd, die sich von tiefem Rot in strahlendes Orange wandelt. Hinter der Bergkette des Odenwaldes leuchtet sie schon bald vollständig hervor und überzieht die Rheinebene mit einem goldenen Glanz. Ihre wärmenden Strahlen und die Feuchtigkeit, die über dem Strom aufsteigt, sorgen zusammen für ein diffuses, weiches Licht. Sonnenaufgänge an der Deutschen Weinstraße sind magische Momente.

Kaffeemühlchen als Aussichtsplattform
Ganz besonders an Stellen, die einen faszinierend weiten Blick möglich machen. Ein solcher Ort ist der Flaggenturm bei Bad Dürkheim. Etwas südlich der Stadt gelegen, steht er auf einer knapp 225 Meter hohen Kuppe inmitten der Dürkheimer Weinlage Fuchsmantel. Der Sandstein-Bau, im Volksmund liebevoll „Kaffeemühlchen“ genannt, ist seit 1854 eine häufig besuchte Aussichtsplattform. Bei guter Sicht in Richtung Rhein sind weit im Süden der Schwarzwald und hoch im Norden der Taunus zu erkennen. Außerdem wird hier augenfällig, dass ein besonderes Mosaik in Grün den Charakter der Deutsche Weinstraße prägt.

Verträumt und sonnendurchflutet
Es ist nämlich der fließende Übergang zwischen Weinbergen und Wald, der zwischen Bockenheim und Schweigen-Rechtenbach die Kulturlandschaft auf 85 einzigartigen Kilometern ausmacht. Zahlreiche Wanderwege erschließen diese Schatzkammer und machen den ständigen Wechsel zwischen Pfälzerwald und Weinland intensiv erlebbar. So liegt der Flaggenturm direkt am „Pfälzer Weinsteig“. Den 172 Kilometer langen Fernwanderweg mit Prädikat kennzeichnen einerseits verträumte Pfade im Wald, andererseits sonnendurchflutete Abschnitte im Rebenmeer. Diese Kombination macht aber auch Rundwege in Bad Dürkheim oder im Bereich der nördlich angrenzenden Urlaubsregion Freinsheim zu außergewöhnlichen Touren. Vor allem im Sommer lockt hier ein „Pfälzer Wander-Wein-Erlebnis“, wenn man eines der zahlreichen Weinfeste besucht. Wer aus dem Wald heraus kommt, stößt nämlich fast zwangsläufig auf eines.

Historische Orte und kuriose Plätze
Durch Naturdenkmäler, historische Orte und kuriose Plätze wird das Wandern zwischen Wald und Wein zusätzlich zum unvergesslichen Erlebnis. So findet sich oberhalb Bad Dürkheims mit dem Kriemhildenstuhl einer der größten römischen Steinbrüche nördlich der Alpen. Im zweiten und dritten Jahrhundert nach Christi Geburt bauten die Römer hier große Buntsandsteinquader ab, die für Bauten in Worms und Mainz dienten. Spannend sind die Inschriften in den Felswänden, die bis heute erhalten geblieben sind. Es handelt sich vor allem um Steinmetzzeichen oder Kohortenzeichen der 22. Legion, die in Mainz lagerte.

Grandioses 360-Grad-Panorama
Lohnend ist auch der Aufstieg zum knapp 494 Meter hohen Peterskopf. Dort bietet die Aussicht vom Bismarckturm, der weitere 36 Meter an zusätzlicher Höhe „liefert“, ein grandioses 360-Grad-Panorama. Dieses verdeutlich nicht nur einmal mehr die einzigartige Kombination von Wein und Wald. Denn auf der Aussichtsplattform wird beim Blick Richtung Westen auch offensichtlich, warum der Pfälzerwald das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschlands ist. Übrigens: In Verbindung mit den Nordvogesen stellt er zudem das einzige grenzüberschreitende UNESCO-Biosphärenreservat der Bundesrepublik dar.

Sieben Wunder im Wald
Eine beeindruckende Felsformation, gekrönt von alten Buchen und Eichen, entpuppt sich als mystischer Ort: der Heidenfels. Er war wohl eine keltische Opferstätte, was auch die volkstümliche Überlieferung erklärt. Vom Heidenfels ist wieder ein Blick auf die Weite des Pfälzerwaldes möglich. Über Treppenstufen und schmale Pfade lassen sich zudem Felskammern und Grotten erkunden. Einen Besuch wert ist auch das steinerne Kanapée, das nicht nur zu einer Rast im Wald einlädt. Die Stufen sollen menschengemachte Überreste einer Einsiedlerei aus dem 14. und 15. Jahrhundert sein. Ins Reich der Sagen entführen zwei weitere Felsen: das Portemonnaie und der Briefkasten. Demnach wird reich, wer einen Stein in den Felsspalt wirft. Mittlerweile ist dieser mehr als gut gefüllt. Eine andere Legende aus längst vergangenen Zeiten berichtet davon, dass einsame Jungfrauen, die in den „Briefkasten“ am Wegesrand ein Blatt Laub einwerfen, endlich einen Freier finden. Wer es mit dem reich werden oder dem richtigen Partner versuchen will, dem sei also der Wanderweg „Sieben Waldwunder“ empfohlen.

Köstliche Kreationen
Nicht zuletzt gehört dort, wo Wandern zwischen Wald und Wein eine einzigartige Kulturlandschaft im wahrsten Sinne des Wortes zugänglich macht, zum Natur- auch der kulinarische Genuss mit dazu. Die Möglichkeiten sind dabei ähnlich breit gefächert, wie die Erlebnisse längs der Wanderwege. Da sorgen in bewirtschafteten Forsthäusern oder Hütten des Pfälzerwald-Vereins deftige regionale Spezialitäten für Stärkung. Da werden in Weinstuben und Restaurants köstliche feine Kreationen serviert. Und es verwundert nicht wirklich, dass auch hier Wein und Wald wieder einen Doppelpass spielen. Zum einen mit dem passenden Tropfen im Glas. Zum anderen, wenn beispielsweise Reh oder Hirsch auf den Teller kommen. So schließt sich der Kreis. Ein weiterer erhebender Augenblick.

ein Text von Michael Dostal