Der Morgen beginnt in aller Frühe gut 50 Meter über den Dächern der Stadt. Das Altpörtel am westlichen Ende der Speyerer Maximilianstraße war Teil der mittelalterlichen Befestigung, zu der einst 68 Mauer- und Tortürme zählten. Zwischen den Arkadenbögen der Galerie lässt sich ein grandioses Schauspiel beobachten: Wie ein Schattenriss erhebt sich der Kaiserdom stolz im Gegenlicht der aufgehenden Sonne. Ein goldener Schimmer legt sich über das mächtige Bauwerk und lässt es erstrahlen. Nach und nach rückt die Morgensonne die ganze barocke Innenstadt ins rechte Licht. Hier warten Geschichte und Kultur, Geschäfte, Galerien und Boutiquen sowie Bars, Cafés und Restaurants in Hülle und Fülle. Zudem ist Speyer das Zentrum einer attraktiven Region.

Größte romanische Kirche der Welt

Es gibt kaum einen Punkt in der kleinen Stadt mit dem großen Flair, von dem der Dom nicht zu sehen ist. Dies überrascht wenig, wenn man sich vor Augen führt, dass der Kirchenbau mit einer Gesamtlänge von 134 Metern und einem 33 Meter hohen Mittelschiff das längste und größte Gotteshaus seiner Epoche war. Den Auftrag zum Bau erteilte Konrad II. vor rund 1000 Jahren. Der Herrscher aus dem Adelsgeschlecht der Salier wurde im Jahr 1027 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt. Geweiht wurde der Dom jedoch erst 30 Jahre nach seinem Tod. Die heute größte romanische Kirche der Welt, zählt seit 1981 zu den Unesco-Welterbestätten.

Jüdisches Welterbe in Deutschland

Auf dieser Unesco-Liste findet sich Speyer gleich zweimal. Denn unweit des Kaiserdoms liegt der Judenhof mit Überresten einer mittelalterlichen Synagoge, einer Frauenschul und einem Ritualbad. Diese Mikwe ist vor dem Jahr 1128 erbaut worden und gilt als eine der ältesten ihrer Art. Etwa zehn Meter unter der Erde unterzogen sich hier die Menschen damals einer kultischen Reinigung, indem sie dort in natürlich fließendes Wasser eintauchten. Die jüdischen Gemeinden Speyer, Worms und Mainz hatten sich im Mittelalter zum sogenannten SchUM-Verbund zusammengeschlossen. SchUM ist ein Kurzwort aus den Anfangsbuchstaben der hebräischen Städtenamen [Schin (Sch) = SchPIRA = Speyer; Waw (U) = Warmaisa = Worms; Mem (M) = Magenza = Mainz]. Die Stätten des Verbunds sind 2021 zum ersten jüdischen Welterbe Deutschlands ernannt worden.

Kurze Wege für Entdecker

Doch nicht nur Katholizismus und Judentum liegen in Speyer nahe beieinander – auch der Protestantismus ragt heraus. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes: Der Turm der Gedächtniskirche ist mit 100 Metern höher als alle Gebäude der Stadt und noch dazu der höchste der Pfalz. Alle historischen Sehenswürdigkeiten sind in Speyer bequem zu Fuß zu erreichen. Kurze Wege führen Entdecker aber auch problemlos zu vielseitigen Geschäften und Boutiquen, an den Rhein mit seiner Promenade oder in die breit gefächerte Gastronomieszene.

Ein Gebäck und die Sonne

Ein Tipp für alle, die ihre Entdecker-Tour nicht in einem Café oder Restaurant unterbrechen wollen: Einfach zu einer Brezel greifen. Dass das Laugengebäck eine Speyerer Erfindung ist, wie immer mal wieder erzählt wird, lässt sich zwar nicht belegen. Doch die Brezel, der seit 1910 Jahr für Jahr beim Brezelfest gehuldigt wird, ist in der Stadt fast allgegenwärtig. So nimmt der „Speyrer Brezelbu“ von einem Brunnen auf dem Königsplatz das Marktgeschehen in den Blick. Übrigens: Der Legende nach hat ein Speyerer Bäckermeister seinem Gesellen, der seine Tochter heiraten wollte, eine Aufgabe gestellt: Gefordert war ein Gebäck, durch das dreimal die Sonne scheint. Die zündende Idee soll dem Gesellen gekommen sein, als seine künftige Schwiegermutter mit gekreuzten Armen in der Tür stehen sah. Die Liebe zur Brezel geht heute so weit, dass rote und grüne Brezelbuwe an manchen Kreuzungen in der Stadt als Ampelfiguren zum Stehenbleiben oder Weitergehen auffordern.

Speyer ist keine Insel

Gestärkt lässt es sich nun wieder der Geschichte widmen. Im Historischen Museum der Pfalz, das in regelmäßigem Turnus große Sonderausstellungen organisiert, lockt auch die Dauerausstellung „Kreuz und Krone“ im Dom- und Diözesanmuseum. Hier wird deutlich, dass sich in der Baugeschichte des Speyerer Domes die wechselvolle Geschichte der Stadt Speyer und der ganzen Region spiegelt. In diese lässt sich mit Ausflügen in die Nachbarschaft zu den Schlössern in Hambach, Schwetzingen und Heidelberg oder in den Nibelungenstadt Worms eintauchen. Wer die 304 Stufen zum Domturm hinauf steigt, dem wird hier klar, dass Speyer keine Insel ist. Denn bei gutem Wetter lassen sich die genannten und viele weitere Ziele links und rechts des Rheins ausmachen. Apropos Rhein: Auch dieser ist mit wenigen Schritten durch den Domgarten zu erreichen. Und am Rheinufer fällt es leicht, bei einer Pause mit kühlen Getränken, den Tag Revue passieren zu lassen und gleich den nächsten zu planen.

Autor: Michael Dostal